Mitteilungsblatt der VVN/BdA Niedersachsen

Neuer Glanz für Stolpersteine in Hannover

Erinnerungspflege

Die Idee entstand in Osnabrück und wurde dort von unserer Kameradin Lisa Böhne umgesetzt. Lisa ist unserem Ehrenmitglied Ruth Gröne freundschaftlich verbunden, und so gelangte die Idee nach Hannover: Stolpersteine verlieren über die Jahre ihren Messingglanz, den aufzufrischen bedarf des tatkräftigen Einsatzes Freiwilliger und einer geeigneten Ausrüstung an Putzmitteln.

Schülerinnen und Schüler putzen die Stolpersteine in Hannover vor dem Haus Wissmannstraße 11-13
Foto: Reinhold Weismann-Kieser

Lisa fertigte dafür geeignete handliche Jutebeutel und es gelang, in Osnabrück damit Schulklassen auszurüsten, die sich dort der Stolpersteine annehmen.

Mit Unterstützung des Amtes für Erinnerungskultur der Landeshauptstadt wurde nun die Klasse 9c der benachbarten Wilhelm-Raabe-Schule für eine Patenschaft für die 65 Stolpersteine in der Wissmannstraße 11 bis 13, die an die ermordeten jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner dieser beiden Häuser erinnern, gewonnen. Lisa Böhne war auf Einladung der Landeshauptstadt eigens angereist, um einen Beutel mit den Utensilien zu übergeben.

Ruth Gröne, die ihre Kindheit in dem Haus Nr. 11 verbracht hatte, berichtete über ihre Erlebnisse und das Schicksal ihrer Familie, an das drei Stolpersteine erinnern: an die Großeltern Frida und Herman Kleeberg, 1941 nach Riga deportiert und ermordet und an ihren Vater Erich Kleeberg, 1944 nach Neuengamme verschleppt und 1945 in Sandbostel an den mörderischen Haftfolgen verstorben.

Nach Grußworten, darunter vom Bezirksbürgermeister Lothar Pollähne und dem Rabbi der Liberalen Jüdischen Gemeinde, Gàbor Lengyel, wurde der Beutel mit den Requisiten an den Schulleiter übergeben. Inzwischen hatten Schülerinnen und Schüler schon die ersten Stolpersteine wieder auf Glanz gebracht.

rwk


Kriegsendphasenverbrechen in Hannover

Gedenken in Seelhorst

Am 6. April 1945 – die Befreiung durch die Alliierten Truppen stand kurz bevor – fand eines der brutalsten Massenverbrechen der Faschisten in Hannover statt: die Erschießungen auf dem Seelhorster Friedhof. 153 Menschen, vorwiegend Bürger der Sowjetunion, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, wurden von einem Gestapo-Kommando ermordet und in einem Massengrab verscharrt. Nur einer, Hauptmann Palnikow, entkam. Er enthüllte dieses Verbrechen den einrückenden Alliierten. Diese zwangen stadtbekannte Faschisten, die Opfer zu exhumieren. Dabei wurden noch weitere Massengräber entdeckt. Insgesamt fand man 526 Tote. 386 von ihnen wurden am 2. Mai zum Maschsee überführt und dort bestattet. Die anderen fanden auf dem Seelhorster Friedhof ihre letzte Ruhestätte. Über das Ehrenmal am Maschsee und die Gedenkfeiern zum 8. Mai und 1. September wurde an dieser Stelle schon mehrmals berichtet.

Zum 70. Jahrestag des Verbrechens fand auf dem Stadtfriedhof Seelhorst eine Gedenkstunde statt, ausgerichtet von der Landeshauptstadt und der IG Metall. Deren 1. Bevollmächtigter, Dirk Schulz, und Oberbürgermeister Stefan Schostok sprachen Grußworte und legten einen Kranz nieder. Unsere Kreisvereinigung beteiligte sich mit einem Gebinde.

rwk


Ostermarsch in Wolfsburg

»Für eine bunte und tolerante Stadt«

Am Ostersamstag fand in Wolfsburg zum zweiten Mal in Folge ein Ostermarsch statt. Aufgerufen hatte wieder der DGB-Stadtverband gemeinsam mit der VVN-BdA Wolfsburg und der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben.

In dem Aufruf unter dem Motto »Für Frieden und Völkerverständigung. Verhandlungen statt Konfrontation« heißt es: »Wir sagen Nein zu Rassismus, Nationalismus und der Diskriminierung von Flüchtlingen, aber auch zu religiösem Fundamentalismus – egal ob er sich christlich, islamisch oder sonst wie nennt. Wir treten ein für ein buntes und tolerantes Wolfsburg, in der Menschen nicht aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, Kultur oder Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung ausgegrenzt und abgewertet werden.«

Friedenstransparent des Wolfsburger Ostermarsches 2015. Foto: M. Hartung

Bei gutem Wetter nahmen ca. 120 Menschen teil, die Reden vom 1. Bevollmächtigten der IG Metall Wolfsburg, Hartwig Erb, und der Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Wolfsburg, Prof. Dr. Hanna Löhmannsröben, hörten. Die beiden forderten, mehr Geld für Bildung und Soziales bereit zu stellen anstatt es für Rüstung auszugeben. Die Spirale von Gewalt und Terror müsse durch Verhandlungen und Bekämpfung der sozialen Misere in vielen Ländern der Welt gestoppt werden. Sie kritisierten, dass Deutschland inzwischen zu den Hauptexporteuren von Rüstungsgütern gehört.

Die VVN-BdA Wolfsburg war gut sichtbar auf dem Ostermarsch vertreten. Auch in den Abendnachrichten des NDR-Fernsehens wurde über den Wolfsburger Ostermarsch mit einem kurzen Filmbeitrag berichtet, der auch unser VVN-Transparent zeigte.

Alfred Hartung


Faschistische »Ludendorffer« tagten Ostern wieder in Dorfmark

»Gefahr für die Demokratie«

Seit 40 Jahren hält der »Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V.« im niedersächsischen Dorfmark seine Ostertagung ab. Fast alle Hotel- und Pensionsbetten sind dann belegt. Proteste dagegen, gerichtet an Rathaus und Lokalzeitungen, gibt es seit 30 Jahren und seit 2007 regelmäßig Straßenproteste.

Das »Bündnis gegen Ludendorffer« protestiert gegen die Ostertagung der extrem rassistischen Organisation im niedersächsischen Dorfmark. Foto: reuter

Dorfmarker Honoratioren und Stammtischbrüder verteidigen ihre »harmlos-friedlichen« und Geld ins Dorf bringenden Ludendorffer. Ja, selbst rassistische Beleidigungen gegen Demonstrierende des In- ternationalen Jugendworkcamps Bergen-Belsen und das Zeigen des Hitler-Grußes vor laufenden Fernsehkameras trauten sich einige Dorfmarker.

Die Ludendorffer tagten in Dorfmark bereits vor 1977, also zu einer Zeit, als die Organisation noch verboten war. Der 1937 gegründete heidnisch-germanische Verein war nach 1945 verboten, wurde 1951 neu gegründet und 1961 erneut verboten. Nach langem Rechtsstreit hob ein bayrisches Verwaltungsgericht 1977 das Verbot wegen Verfahrensfehlern auf. Die ideologische Gründerin Mathilde Ludendorff wurde 1950 in einem Entnazifizierungsverfahren zunächst als Hauptschuldige, später als Belastete eingestuft. Der »Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V.« ist eine Erfindung der selbsternannten Philosophin Mathilde Ludendorff und wurde als sogenannter »Glauben« propagandistisch unterstützt von ihrem Gatten, dem General des Ersten Weltkriegs und Hitler-Putsch-Gefährten von 1923, Erich Ludendorff. Die Schriften der Gründer sind bis heute für die Ludendorffer so zentral wie die Bibel für Christen.

Die Lehre der Ludendorffer ist ein Konglomerat aus Verschwörungstheorien. Ein paar Zitate: Dieser Herrenmenschenglaube teilt die Menschen in »Licht- und Schachtrassen«. Die nordischen »Lichtrassen« seien »dem Göttlichen nahe«, die »Schachtrassen« »unvollkommen und sündhaft«. Die einen seien von Natur aus zum Herrschen, die anderen zum Dienen bestimmt. »Deutsche Gotterkenntnis ist abhängig vom Rasseerbgut«, heißt es bei Mathilde Ludendorff. Aus diesem Grund führe »Blutsmischung« zum »Volkstod«. Das »entwurzelte jüdische Volk« erstrebe die Weltherrschaft in Gestalt von Kommunismus, Freimaurertum und katholischer Kirche, die in Wahrheit »verjudete« Inhalte vertrete. Deutsche Kinder würden durch eine »verjudete christliche Erziehung« geschädigt.

Dass die Ludendorffer auch vor Ort keineswegs harmlos und friedlich sind, haben sie in Dorfmark längst bewiesen. Ostern 2010 griff eine Gruppe von Ludendorffern Journalisten an, die den prominenten Altnazi Hajo Herrmann fotografieren wollten. Mehrfach in Dorfmark dabei war der bekannte Nazi-Aktivist Steffen Hupka. 2012 erging er sich erst in Drohgebärden und zerschlug dann die Kamera eines Journalisten. Gern gesehener Tagungs-Gast ist auch die bekannte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel.

Das »Bündnis gegen Ludendorffer« aus Gewerkschaften, Parteien und Initiativen, darunter auch die VVN-BdA, organisierte seine Straßenproteste an zwei Tagen.

Wirtschaftlicher Druck eines potenten Kunden nach dem Motto »wenn ihr weiter Ludendorffer bewirtet, dann kommen wir nicht mehr« führte nach nunmehr 40 Jahren dazu, dass das bisherige Haupttagungslokal erstmalig in diesem Jahr keine Ludendorffer beherbergte und bewirtete. Die antisemitische, rassistische Organisation musste sich auf den »Gasthof zur Post« konzentrieren und bekam zweitägige Protestaktionen vor die Tür. Während draußen Spottverse auf die Ludendorffer gesungen wurden, gab es drinnen Vorträge, Volkstanz und Kinderprogramm. Über 30 Kindern und weiteren Jugendlichen wurde von den Erwachsenen die »arische Volksgemeinschaft« antrainiert.

Das »Bündnis gegen Ludendorffer« kann nach vielen regelmäßigen Protesten endlich einen Teilerfolg feiern, betonten alle beteiligten Gruppen. Nach jahrzehntelanger Verharmlosung der rassistischen Organisation durch den Verfassungsschutz schickte jetzt Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius dem »Bündnis gegen Ludendorffer« ein Grußtelegramm. DGB-Kreisvorsitzender Charly Braun nahm das in seiner Rede auf und forderte vom Innenminister, die Auflösung der Ludendorffer zu betreiben sowie mit der Bespitzelung der antirassistischen Proteste durch den polizeilichen Staatsschutz Schluss zu machen. SPD-Landtagsabgeordneter Michael Höntsch will sich für Beobachtung der Ludendorffer durch den Verfassungsschutz einsetzen. Der Weltanschauungsbeauftragte der evangelischen Landeskirche Hannover nannte die Ludendorffer »eine Gefahr für die Demokratie«.

»Bündnis gegen Ludendorffer«