60 Jahre VVN Niedersachsen

"Wiedergutmachung" und Entschädigung

"Der aus Überzeugung oder um des Glaubens oder des Gewissens willen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistete Widerstand war ein Verdienst um das Wohl des Deutschen Volkes und Staates."
Aus dem Bundesentschädigungsgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, verabschiedet vom Deutschen Bundestag am 18. September 1953

Dieser hehren Erklärung entsprach zu keiner Zeit die Verwaltungs- und Rechtspraxis der westdeutschen Länder und der dann gegründeten Bundesrepublik. In den ersten Jahren waren die den Zuchthäusern und Lagern entronnenen und aus der Emigration heimgekehrten Widerstandskämpferinnen, Widerstandskämpfer und Verfolgten weitgehend auf ihre solidarische Selbsthilfe angewiesen. Nur zögernd, teils auf Grund Drucks der Besatzungsmächte, teils entsprechend den Forderungen der demokratischen Öffentlichkeit, verabschiedeten die Länder Entschädigungsgesetze. 1950 erteilte der Bundestag der Bundesregierung den Auftrag, ein einheitliches Entschädigungsgesetzt zu erarbeiten. Erst im Juni 1953 lag dem Parlament ein Entwurf vor. Er stieß auf heftige Kritik: "“Dieser Entwurf ist ein Generalangriff auf die Widerstandskämpfer aller Richtungen, Weltanschauungen und Bekenntnisse, die aktiv gegen Faschismus und Krieg gekämpft haben”, erklärte die VVN." Zunächst wurde der Entwurf trotzdem ohne Änderungen durchgepeitscht.

1956 war die Bundesregierung dann durch "heftigen Protest im In- und Ausland" gezwungen ein neues Gesetz einzubringen. Es "trat am 29.6.1956 in Kraft. Im Gegensatz zu anderen Sozial- und Versorgungsgesetzen, z. B. der Lastenausgleichsgesetzgebung mit über 30 Novellen, war die Entschädigungsgesetzgebung von jeder progressiven Fortentwicklung ausgeschlossen und der Schlusstermin für die Antragstellung auf den 31.12.1969 festgelegt." Vermögensschäden durch Krieg und Kriegsfolgen rangierten also weit vor den Schäden durch Verfolgung und Widerstand.

Aber auch diese diskriminierenden Bestimmungen reichten nicht aus. Mit dem § 6 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) im Zusammenhang mit dem KPD-Verbotsurteil wurde ein großer Teil der Berechtigten seiner Ansprüche beraubt und dazu noch zynisch mit gewöhnlichen Nazis gleichgesetzt, während zahllose Beamte, Juristen, Professoren und Offiziere, die dem faschistischen Regime treu gedient hatten, bald wieder in Amt und Würden gelangten oder mit komfortablen Pensionen versorgt wurden.

Die Sozialkommission beim VVN-Landesvorstand versuchte über die Jahre ehrenamtlich die große Zahl der Versorgungsansprüche zu bearbeiten. Bis 1970/71 erhielt sie von der Landesregierung dafür einen Zuschuss von jährlich DM 3000, der aber mit der Ausschlussfrist des BEG (s. O.) weg fiel. Bis dahin waren aber noch insgesamt 6689 Fälle offen. Ein großer Teil wurde nicht mehr bearbeitet. Erst im Jahre 1990 wurde der “Niedersächsische Härtefonds für Opfer des NS-Regimes in besonderen sozialen Notlagen” gegründet. Mehr als 9 Jahre lang bis zum Herbst 1999 wirkte dort der Kamerad und spätere Ehrenvorsitzende der VVN/BdA Fritz Maiwald an der Seite von Gertrud Schröter. Den Platz hatte die Fraktion B90 / Grüne zur Verfügung gestellt. (Inzwischen verfügt die VVN/BdA durch Landtagsbeschluss vom 11.11.99 über einen eigenständigen Sitz).

weiter →